Sämtliche Flächen der menschlichen Haut und Schleimhaut sind von einer Vielzahl nützlicher Mikroorganismen besiedelt. Die natürliche Flora entsteht schon kurz nach der Geburt aus vorwiegend mütterlichen Keimen, die auf das Neugeborene übergehen. In der nahezu sterilen Scheide eines Mädchens bildet sich in den ersten Lebenswochen aus Haut- und Darmkeimen die Vaginalflora. Das Lebensalter und die körperliche Entwicklung sind Einflussfaktoren, die auf den Aufbau und die Zusammensetzung des Scheidenmilieus wirken. In einem Milliliter Vaginalsekret einer gesunden erwachsenen Frau sind etwa 100 Millionen Keime nachweisbar. Mehr als 200 Arten von Milchsäurebakterien (Laktobazillen) finden ihren Lebensraum in der Scheide und erfüllen dort eine wichtige Schutzfunktion.
Die gesunde vaginale Flora
Die Aktivität nützlicher Mikroorganismen in einer ausgeglichenen Hautflora dient dem Zweck, den Raum gegen potenziell schädliche Keime zu verteidigen und ihre Ausbreitung zu verhindern. Ist das mikrobiologische Gleichgewicht intakt, sind krankmachende Bakterien oder Pilzerreger auf der Haut zwar nicht vollständig abwesend, sie finden aber keine ausreichend guten Lebensbedingungen, um sich nach Belieben zu vermehren und dadurch eine Infektionserkrankung zu verursachen. In der Scheide ist es vorrangig die Aufgabe der Milchsäurebakterien (Laktobazillen), mit ihren spezifischen Stoffwechselfunktionen für effektive Schutzmechanismen gegen Krankheitserreger zu sorgen. Laktobazillen verwerten den Zucker, den die Scheidenzellen unter dem Einfluss von Östrogen einlagern. Sie wandeln das Glykogen in Milchsäure um und erzeugen dabei ein saures Scheidenmilieu mit einem pH-Wert zwischen 3,8 und 4,4. Einige Laktobazillus-Stämme produzieren darüber hinaus Wasserstoffperoxid. Der frei werdende Sauerstoff hat eine desinfizierende und oxidierende Wirkung und wehrt zusammen mit dem hohen Säuregrad der Umgebung zudringliche Krankheitserreger ab.
Störungen des Gleichgewichts im Scheidenmilieu
Krankmachende Keime finden auf unterschiedliche Weise ihren Weg in die Scheide. Sie dringen insbesondere von der Haut, aus dem Analbereich und beim Geschlechtsverkehr in die Vagina ein. Ein intaktes mikrobiologisches Gleichgewicht der Scheidenflora hemmt die Ausbreitung der Erreger und dämmt die Gefahr einer Infektionserkrankung ein. Nimmt die Zahl der Milchsäurebakterien in der Scheide unverhältnismässig stark ab, geht der Säuregehalt der Umgebung zurück und das Scheidenmilieu verliert seinen wirksamen Schutzmechanismus. Die Ursachen für einen Rückgang der Milchsäurebakterien in der Vaginalflora sind medizinisch nicht endgültig geklärt.
Einige Risikofaktoren stehen jedoch im Verdacht, beim Schwund der Laktobazillen eine Rolle zu spielen.
- Milchsäurebakterien gedeihen unter dem Einfluss von Östrogen. Die Ausschüttung des weiblichen Geschlechtshormons unterliegt im Leben einer Frau natürlichen Schwankungen, die im Monatszyklus periodisch verlaufen oder altersbedingt (z. B. mit Beginn der Wechseljahre) auftreten. Ein sinkender Östrogenspiegel wirkt sich negativ auf die Entwicklung der Laktobazillen aus und kann ihren Rückgang zur Folge haben.
- Medikamente wie Antibiotika, die zur Behandlung von Infektionen über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden, oder Zytostatika, die in der Krebstherapie das Zellwachstum hemmen, können auch das Gedeihen der Laktobazillen in der Scheide beeinträchtigen.
- Medizinische Beobachtungen legen nahe, dass Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern möglicherweise mit Risiken für das gesunde Scheidenmilieu verbunden ist.
- Allzu intensive hygienische Massnahmen, die auf stark parfümierte Kosmetika, Badezusätze und Deos zurückgreifen, tun den nützlichen Mikroorganismen der Scheidenflora nicht gut.
- Stress, Sorgen und Ängste, die den Alltag belasten, können die empfindliche mikrobiologische Balance des Scheidenmilieus stören.
Büsst die Scheidenflora mit einem Rückgang der Milchsäurebakterien ihre Abwehrkraft ein, nutzen krankmachende Mikroorganismen die Gelegenheit, sich auszubreiten. Zu den Keimen, die gynäkologische Erkrankungen verursachen, gehören
- bakterielle Erreger vorwiegend der Art Gardnerella vaginalis, die an der Entstehung einer bakteriellen Vaginose beteiligt sind
- der mikroskopisch kleine Hefepilz Candida albicans, der eine Scheidenpilzinfektion verursacht
Beide Erkrankungen beeinträchtigen das Wohlbefinden entscheidend und verursachen Symptome wie Juckreiz, vermehrten Ausfluss, Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr. Sowohl bei bakterieller Vaginose als auch bei Scheidenpilz können medizinische Fachpersonen in der Apotheke, Drogerie oder Arztpraxis die Diagnose stellen, damit im Anschluss die Infektionen mit geeigneten medikamentösen Therapien behandelt werden können. Ein Online-Selbsttest kann helfen, die Symptome zu bestimmen und schnell eine erste Einschätzung zu erhalten. Zur Unterstützung der Therapie können Probiotika eingesetzt werden, die zum Wiederaufbau eines gesunden mikrobiologischen Gleichgewichts im Scheidenmilieu beitragen.
Wirkung von Probiotika
Probiotika sind Präparate, die lebende Mikroorganismen enthalten. Sie werden dem Körper zugeführt, um eine Fehlbesiedlung der Hautflora auszugleichen. Probiotika können ihre Wirkung in unterschiedlichen Körperbereichen entfalten. Sie haben einen günstigen Einfluss auf die Darmfunktion, unterstützen das Immunsystem und helfen beim Wiederaufbau der Vaginalflora. Probiotika eignen sich insbesondere zur begleitenden Therapie einer Vaginalinfektion, wenn das mikrobiologische Ungleichgewicht sich immer wieder einstellt..